Con Cembalo obligato – Bachs Gambensonaten

Interview mit Lucile Boulanger

Foto: Richard Dumas

 

Sie spielen auf der Viola da gamba ein sehr großes Repertoire. Welchen Stellenwert besitzen in diesem Spektrum die (wenigen) Gambenwerke von Bach?
Bach-Musik ist wie ein enger (und ziemlich anspruchsvoller) Freund, den man in sehr jungen Jahren erstmals trifft und dann im Laufe des Lebens immer besser kennenlernt. Musikalisch gesehen ist Bachs Musik sowohl eine Zusammenfassung als auch ein Ausgangspunkt für alles andere aus meinem Repertoire, sei es französische, italienische, Renaissance- oder zeitgenössische Musik. Daher bleibt sie immer ein Schwerpunkt meiner künstlerischen Tätigkeit. Immer wenn ich die Johannes-Passion oder eine der Gambensonaten spiele, merke ich sofort, ob ich in Form bin oder nicht, und jedes Mal lerne ich dabei etwas Neues.

Die drei Gambensonaten von Bach sind offensichtlich zu einem Großteil nicht original für Gambe geschrieben, sondern Umarbeitungen früherer Werke. Wie beurteilen Sie – aus Sicht der Interpretin – diese drei Kompositionen?
Nun, Bach kümmert sich kaum um unser Wohlbefinden als Interpreten, egal ob das Stück ursprünglich für unser Instrument geschrieben wurde oder nicht. Es geht also eher darum, seine Musik im Kopf zu formen und dann zu »managen«, also auf dem Instrument zu suchen, wie man seinem Ideal näher kommt. Das ist das Gegenteil davon, Werke von Marais oder Forqueray zu spielen, wo das Instrument der Schlüssel zum Verständnis der Komposition ist.

Bach selbst hat vermutlich nicht aktiv Gambe gespielt. Für wen könnte er diese drei Sonaten zusammengestellt haben?
Immerhin hat Bach eine Viola da gamba besessen und konnte sie wahrscheinlich spielen ... Aber es gibt mehrere Möglichkeiten, wer ihn zu diesen Sonaten inspiriert haben könnte. Lange Zeit ging man von seinem guten Köthener Freund Christian Ferdinand Abel oder sogar dem gemeinsamen Gönner und Gambenliebhaber Fürst Leopold aus. Neuere Forschungen deuten jedoch eher auf Carl Friedrich Abel hin, den Sohn von Bachs Freund. Die letzte mir bekannte Hypothese wäre Ludwig Christian Hesse, ein unglaublicher Virtuose am Hofe Friedrichs II., an den Bach 1741 und 1747 reiste.

Auf welchem Instrument werden Sie in Leipzig die Sonaten spielen?
Genau weiß ich das noch nicht. Meine siebensaitige Tielke-Gambe von François Bodart wird nächstes Jahr 20 Jahre alt, und ich bin musikalisch mit ihr aufgewachsen. Joachim Tielke war ein Zeitgenosse von Bach, und die Klarheit der Artikulation seiner Gamben ist perfekt, um mit dem Cembalo zu kommunizieren. Andererseits habe ich kürzlich ein Originalinstrument, wahrscheinlich aus England, vom Ende des 17. Jahrhunderts gekauft. Ich lerne auch diese Gambe langsam kennen und bewundere ihren Klang und ihre Resonanz.

off