Johann Sebastian Bachs Thomaner

Auf Spurensuche: Die Lebenswege der Bach-Schüler im Visier

Während Bachs 27-jähriger Leipziger Amtszeit durchliefen nicht weniger als 300 Knaben seinen Unterricht. Der Thomanerchor bestand im 18. Jahrhundert aus 55 Alumnen, die in der Leipziger Thomasschule nicht nur sangen und unterrichtet wurden, sondern hier auch lebten und den Großteil ihrer Jugendjahre verbrachten. Ihr Schulgeld finanzierten sie durch Singedienste für die Leipziger Bevölkerung ‒ sie waren zu Hochzeiten und Begräbnissen, vor allem aber während der Gottesdienste in den vier Stadtkirchen zu hören.

 

Wer dürfte also besser über Bachs Kirchenmusikaufführungen Bescheid gewusst haben als die Thomaner seines Chores? Von dieser Überlegung ausgehend nahm das Bach-Archiv Leipzig das Jubiläum zum 800-jährigen Bestehen des Thomanerchores (2012) zum Anlass, den Spuren der Bachschen Sänger nachzugehen. Das Forscherteam des Bach-Archivs sucht nach Quellen, die Auskunft über die weiteren Lebenswege der Thomaner geben, aber auch nach autobiographischen Aufzeichnungen oder Briefen, in denen die Alumnen über ihre Zeit an der Schule berichten. Dabei stehen die Chancen für derartige Funde in der Tat ziemlich gut. Eine erste Auswertung der zeitgenössischen Schülerlisten, die erst kürzlich von PD Dr. Michael Maul im Leipziger Stadt-Archiv wiederentdeckt worden waren, hat ergeben, dass über die Hälfte von Bachs Thomanern später selbst in den Dienst der Kirche traten; sie wurden Pfarrer, Kantoren oder Organisten. Ihre Stellenbesetzungsakten – mit selbstverfassten Lebensläufen und handschriftlichen Zeugnissen ihrer Leipziger Lehrer – haben sich fast durchgehend erhalten.

Dass auch jene Thomaner, die unter den berühmten Vorgängern und Nachfolgern Johann Sebastian Bachs die Schule besucht hatten, im weiteren Verlauf ihres Lebens gewichtige Beiträge zur Musikgeschichte leisteten, zeigen die Biographien von Reinhard Keiser (Kapellmeister der Hamburger Oper), Christoph Graupner (Hofkapellmeister in Hessen-Darmstadt), Johann Friedrich Fasch (Hofkapellmeister in Anhalt-Zerbst) und Johann David Heinichen (Hofkapellmeister in Dresden). Eine systematische Auswertung der Lebensläufe von deren Leipziger Mitschülern ‒ sie alle besuchten das Thomasalumnat im ausgehenden 17. Jahrhundert ‒ kann aktuell nicht geleistet werden, so dass auch für zukünftige Forschungen viel zu tun bleibt.

 

Das Projekt »Bachs Thomaner« wird getragen von der Gerda Henkel Stiftung, die auch zwei am Bach-Archiv angesiedelte Stipendienstellen finanziert.

 

Ansprechpartner: Prof. Dr. Peter Wollny (Projektleiter) und PD Dr. Michael Maul (Projektkoordinator)

Stipendiaten: Dr. Manuel Bärwald und Bernd Koska

 

Weitere Informationen:

Ein neuaufgefundenes Bach-Autograph in Weißenfels (L.I.S.A. - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung, 14. Juni 2013)

Neue Bach-Funde in Döbeln (ZEIT-Online, 23. Februar 2014)

 

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